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 Die fremde Königin

 

In einer fernen und doch sehr nahen Zeit lebte ein großer und kleiner, mächtiger und mutloser, fröhlicher und trauriger Zauberer mit dem Namen Emilio.

Eines Tages beschloss Emilio, auf die Suche zu gehen. Er zauberte alle seine besten Freundinnen und Freunde in seinen schwarzen Samtkoffer und machte sich mit ihnen auf die Reise. Er wanderte und suchte. Aber er fand nicht. Als Emilio schon sehr müde und traurig war, sagten seine Freundinnen und Freunde: "Lass uns wieder zurück gehen in die große Stadt zu den vielen Menschen mit ihren Träumen. Lass uns wieder nachts durch die Straßen streifen und die vielen Lichter ansehen." Emilio blieb stehen. Er zweifelte. Schließlich setzte er sich auf einen Stein am Wegesrand und die ganze Gesellschaft aus dem Samtkoffer saß um ihn herum.

Aber halt, Emilios Rabe fehlte. Der war niemals müde und so hatte er auch diesmal seine schwarzen Schwingen ausgebreitet, hatte sich hoch in die Luft erhoben und sich umgeschaut. Jetzt kam er zurück, setzte sich auf Emilios Schulter und krächzte: "Kommt alle mit, ich habe ein Haus für uns gefunden, es steht leer." Da kam wieder Leben in die Gesellschaft, Emilio zauberte alle in den Koffer. Nur den Raben nicht, der flog voraus und wies den Weg.

Da - ganz unten im Tal lag ein kleines Dorf mit einem roten Kirchturm. Freundlicher Rauch stieg aus den Schornsteinen."Ob das geht?", zweifelte Emilio. "Das Dorf ist sehr klein und vielleicht mögen die Leute keine Zauberer. Vielleicht werden sie mich auslachen und fortjagen." Der Rabe schaute noch einmal lange ins Tal und sagte dann mit fester Stimme: "Hab Mut." Und auch aus dem Samtkoffer flüsterte es: "Hab Mut, Emilio. Lass es uns versuchen."

Also ging Emilio durch die Weinberge hinunter ins Dorf. Der Rabe flog mit. Im Dorf liefen ihnen gleich ein paar Kinder entgegen, fragten nach dem Woher und Wohin und führten Emilio zu dem leeren Haus. Sie besorgten Holz für den Ofen und so stieg auch aus diesem Haus bald freundlicher Rauch. Emilio zauberte sich sein Haus innen gemütlich, das allerschönste Zimmer bestimmte er für den Samtkoffer und seine Gesellschaft. Die Kinder kamen jeden Tag wieder und wollten natürlich unbedingt wissen, was in dem einen verschlossenen Zimmer sei. Emilio beriet lange mit seinen Freundinnen und Freunden, wie sie sich zeigen könnten, und eines Tages war es dann soweit:Emilio öffnete den Kindern sein schönstes Zimmer und das war voller Farben und Geschichten, sodass die Kinder gar nicht mehr nach Hause wollten.

Sieben Jahre lang lebte Emilio nun schon in dem kleinen Dorf, zauberte, so gut er es vermochte und war schon fast kein Fremder mehr, da geschah es plötzlich, dass er nicht mehr zaubern konnte und all seine Bilder und Farben verlor. Als er so in großer Verzweiflung in seinem Haus saß, ging eines Tages die Tür auf und herein trat eine fremde Königin, die Emilio noch nie zuvor gesehen hatte. "Ich brauche Lila", sagte sie. "Jetzt. Sofort. Dringend." "Ich habe kein Lila", meinte Emilio. "Ich weiß auch nicht, wie das geht."Aber die fremde Königin ließ sich nicht so leicht abweisen. Sie sah sich im Zimmer um und entdeckte den Samtkoffer, den Emilio schon lange, lange verschlossen hatte. Sie machte ihn auf und "Na, bitte", triumphierte sie, "Blau und Rot, damit mache ich mir das allerschönste Lila selbst."So geschah es dann auch. Und wie Emilio so zusah und Wasser reichte und Palettmesser, da kehrten alle Farben und Geschichten und Zaubersprüche zurück. Er sah jetzt auch, dass die fremde Königin eine lila Krone trug, die ihr sehr gut stand. Zum Abschied sagte sie: "Ich habe dich lieb, Emilio", und ließ ihm eine lila Feder zur Erinnerung da.

 

Ich habe gehört, dass Emilio seinen Samtkoffer seither nie mehr versehentlich zugeschlossen hat und dass er manchmal die fremde Königin in ihrem Reich besucht, das fast am Ende der Welt liegt. Kinder sind nach wie vor gerne seine Gäste und der rote Kirchturm der Lieblingsplatz seines treuen Raben.